Um das mal aufzuklären, bevor ich hier mit den Gefühlen von meinen Lesern spiele: Alles, was im vorherigen Posting steht ist absolut die Wahrheit, um es zu verstehen, muss man aber wissen, dass ich Germanist bin und gerade die Autobiographie meines "Freundes" lese. Bloß seinen Nachnamen habe ich nicht genannt: Goethe.
Und jetzt die Geschichte dazu: Mit 30 Jahren ist Goethe zwar eine wichtige Persönlichkeit bei Hofe, aber innerlich hat er mit der Gesellschaft dort längst abgeschlossen:
Außer dem Herzog ist niemand im Werden ,die anderen sind fertig wie Drechselpuppen, wo höchstens noch der Anstrich fehlt
Goethe zieht sich immer häufiger zurück und bei einem solchen Rückzug vom Hof, am 6.September 1780 in Ilmenau, wird er Zeuge eines Sonneuntergangs in totaler Stille. Daraufhin begibt er sich in besagte Hütte und schreibt mit Bleistift die genannten Verse auf die Holzwand.
50 Jahre später, er ist bereits 82, kehrt er zu dieser Hütte zurück, sieht sein Gedicht, und die Trauer überkommt ihn, denn er weiß, dass er nicht mehr lange leben wird. Tatsächlich stirbt er nicht mal ein Jahr später.
Diese Verse haben bis heute wohl jeden berührt, der sie gelesen hat, und die Geschichte dazu ist noch einmal so ergreifend. Es ist wahrscheinlich das berühmteste Gedicht des größten aller deutschen Dichter und wurde bereits in viele andere Sprachen übersetzt. Es gibt ganze Bücher und Seminare, die sich nur mit der Interpretation dieses Gedichts beschäftigen. Es ist aus vielerlei Hinsicht einfach perfekt ausgeklügelt und bis ins kleinste Detail durchdacht; das gilt nicht nur für jedes Wort, sondern sogar für jeden einzelnen Buchstaben, und die Symbolik hinter den wenigen Zeilen ist einfach phänomenal. Nur ein Titel, der fehlt ihm bis heute. Es wird oft als "Wandrers Nachtlied" oder "Ein Gleiches" bezeichnet, aber nur, um es halt irgendwie bezeichnen zu können.
Ich hätte sehr gerne einen Titel gefunden, um das Gedicht für mich zu benennen, aber keine meiner Ideen konnte mich begeistern. Ich hatte gehofft, dass jemand der unvoreingenommen an die Sache geht, einen eigenen Zugang dazu findet, und das ist auch passiert. Es stimmt: Das Gedicht braucht gar keinen Titel. Ein Titel würde ihm das Gleichgewicht nehmen, wo es doch eigentlich seine volle Wirkung seit Generationen eben so entfaltet.
Ich möchte mich entschuldigen, falls das vorherige Posting etwas sehr dramatisch klang, das war eigentlich so nicht beabsichtigt, nur wollte ich den Autor halt nicht preisgeben.